Fredo kommentiert das Leben und die Welt.

Endlich tut die Sonne mal wieder so richtig vom Himmel prallen. So wie ich mir das für einen schönen Tag wünsche. Alles in Ordnung also. Sollte man meinen. Wenn nur meine Frida nicht immer so einen Bockmist anstellen würde.


Eigentlich ist sie ja 'ne nette. Doch das gilt nur für eine Welt ohne Fernseher. Denn da drin sind die Moderatoren. Die ticken ganz anders als die normale Menschheit. Weil sie Unfrieden stiften, jedenfalls im Gehirn meiner Frida. Dieses Mal tut allerdings kein Grimassenzieher aus dem Fernsehen, sondern ein Polit-Moderator die Schuld daran haben. Na ja, Zeitungen, Fernsehen, Parteien, Abgeordnete – das ist ja heutzutage sowieso alles dasselbe. Die haben alle Abitur oder ein halbes Studium. Dagegen kann unsereiner mit seinem Volksschul-abschluss und einer anständigen Berufsausbildung nicht wirklich anstänkern. Aber wegen dieser Bagage muss ich mich jetzt schon wieder im Keller verstecken tun. Verdammt!


Und das ist diesmal so gekommen: Ich trödele gut gelaunt nach dem Zeitungsaustragen nach Hause und tue mich auf mein Zehn-Uhr-Frühstück freuen. Vor der Haustür sehe ich, dass die Briefträgerin schon da gewesen ist. Ich nehme unsere Post raus und finde ein Kuvert, das mir verdächtig vorkommt. Absender: die Baugenossenschaft. Oha, Mieterhöhung!, denke ich und überlege, wie ich das meiner Frida mit der nötigen Schonung beibringen könnte. Seit sie in Hamburg-Farmsen an dem Volkshochschulkurs „Die Demokratie sucht seinen Superstar“ teilgenommen hat, ist sie nicht mehr meine liebe, kleine, scharfe Frida, sondern eine Art Polit-Irrlicht, das zuletzt sogar verlangt hat, die SPD abzuwählen, aber sie willl mir nicht verraten, wen sie in Zukunft wählen will, wenn sie zur Wahl gehen tut. Wahlgeheimnis! So ein Quatsch, bei mir in der Familie haben sie alle die Sozis gewählt. Opa hat das sogar öffentlich gemacht, und zwar ganz demonstrativ, sogar  vor einer Wahlkabine, die er selbst aufgestellt hat. Und das zehnmal hinereinander. Danach hat er behauptet, er habe 10:0 gewonnen. Eine Kur hat er obendrein bekommen, von den Männern, die ihn abgeholt haben.


Also, ich habe den Brief aufgerissen. Und was finde ich? Eine Rechnung, wie immer. Doch diesmal nicht von der GEZ oder einem anderen Betrüger, sondern von unserem Vermieter. Ich lese das Schreiben noch im Hausflur auf der Treppe. Zunächst denke ich mit Erschrecken an eine Mieterhöhung. Aber es ist eine mir völlig unbekannte Mietforderung. Für eine Garage. 110 Euro, jeden Monat, eine Straße weiter, auf einem Hinterhof, wo auch der Ali aus der ersten Etage und und Angeber-Gerhard von Parterre ihre Autos stehen haben.


Liebe Leser, Sie können sich bestimmt vorstellen, dass einem da so allerhand durch den Kopf jagen tut. Hat meine Frida vielleicht heimlich im Lotto gewonnen und eine Limousine gekauft? Will sie mich vielleicht auf liebliche Weise überraschen tun? Oder ist die Rechnung einfach nur eine Verwechslung? Gilt die Summe in Wirklichkeit dem Angeber-Gerhard von Parterre oder dem Ali aus der ersten Etage? Wie dem auch sei, da sind Kosten im Spiel und darüber ist mein guter Name zu lesen. Wovon sollen Frida und ich eine Garage bezahlen? Ich müsste außer den Zeitungen zusätzlich abends Zeitschriften austragen. Das würde die Arge nicht mitmachen, die würde mir das Geld prompt von der Aufstocker-Knete abziehen.


Oben, in meiner Wohnung angekommen, schmeiße ich mich auf den Stuhl und die Brötchentüte auf den Tisch. Frida ist schon heimgekehrt von ihrem Job in der Schnapsfabrik und gebärdet sich wie immer: Küsschen auf die Lippen, einmal übern Hintern streichen, zweimal schwuppsig mit den Brüsten wackeln. Ich entspanne mich, will die Miet-Rechnung ansprechen, kriege aber beim Anblick meiner Liebsten kein Wort heraus. Frieden auf dem Dulsberg! Wir frühstückten wortlos. Frida liest in den übrig gebliebenen Zeitungen und mümmelt ein Marmeladen-Brötchen weg.


Die Garagen-Rechnung habe ich also erst einmal zurückgehalten. Zwei Becher Kaffee später wage ich mich vor. Ich sage, dass ich den Angeber-Gerhard gesehen habe in einem neuen roten Audi. Keine Reaktion. Ich nehme eine Zeitungswerbung für Überraschungseier zum Anlass, darauf hinzuweisen, dass auch ich für jede Überraschung zu haben bin. Und dass ich mir schon immer ein Auto habe wünschen getut.

   Daraufhin hat Frida schallend aufgelacht. „Wer will denn dich schon überraschen? Wofür denn? Fürs Austragen der Zeitungen? Das kann doch jeder.“


Ich bin sprachlos gewesen? Welcher freche Moderator lenkt da gerade ihre Zunge? Das kann nicht meine Frida sein, habe ich gedacht. Und: Da ist Gefahr in Verzug. Also behalte ich die Garagenmieten-Rechnung erst einmal für mich. Überhaupt, so überlege ich, wäre es am besten, die Garage erst einmal unter die Lupe zu nehmen. Eine gute Idee, weil Frida verdammt beleidigt und wütend werden kann, wenn sie für etwas beschuldigt wird, mit dem sie nichts zu tun haben will. So wie beim Malheur in der Schnapsfabik, als der Abteilungsleiter zu uns nach Hause hat kommen müssen, um sich zu entschuldigen für den Vorwurf, Frida tränke jeden Morgen beim Putzen eine Flasche Doppelkorn. Ich habe bezeugen können, dass das nicht stimmen kann. Ich weiß nämlich genau, wie Frida nachts durch die Zähne pfeift, wenn sie eine ganz Flasche intus hat.


Nach dem späten Frühstück habe ich also auf ein Nickerchen verzichtet und mich auf den Parkhof geschlichen. „Miete für Nr. 12“ steht auf der Zahlungsanweisung. Und tatsächlich, die Nummer 12 tut es wirklich geben. Verdammt! Ich suche ein Namensschild. Vergebens. Ratlos stehe ich in der Gegend rum, als Angeber-Gerhard den Hof betritt, seinen knallroten Audi aus der Garage zu holen. „Halt, warte mal“, rufe ich geistesgegenwärtig. Ich fragte ihn, ob er wüsste, wer die Garage Nr. 12 gemietet hat.

   Da senkt Angeber-Gerhard seinen Blick auf mich runter, dass mir gruselig wird. „Du weißt nicht, wem die Garage gehört?“ Das klingt vorwurfsvoll. „Du weißt also nicht, was deine Frau treibt? Oder bist du ganz einfach nur besoffen?“

   „Ach“, habe ich geantwortet, „selbstverständlich weiß ich, dass Frida eine Garage gemietet hat. Ich weiß nur nicht mehr so genau, welche von all den schönen Garagen hier.“

   Da hat Angeber-Gerhard ein buntes Grinsen über sein Gesicht huschen lassen. „Bei mir zu Hause ist es die Frau, die nie weiß, was ihr Mann tut.“ Dann grinste er quer durch seine Visage hindurch.


Plötzlich bekomme ich einen Verdacht. Hat Angeber-Gerhard mich etwa verarschen wollen, hat er mich, den schlauen Fredo, zum Affen machen wollen? Das hat mich beleidigt. Dagegen muss man sich wehren, habe ich gedacht und mir einen Plan ausgedacht. „Nehmen wir mal an“, habe ich den Audi-Wichtigtuer gefragt, „deine Frau hätte die Garage mit der Nr. 45 gemietet.“

Darauf hat der Blödmann seinen hässlichen Kopf gereckt und voll die Aggression in seine Augen getan.

   „Nie und nimmer“, hat er gefaucht, „niemals würde meine Frau eine Garage anmieten, ohne mich um Erlaubnis zu bitten.“ Weiter tut er behaupten, „seine Frau würde ihm alles erzählen, wonach er sie ausfragen tue. „Das wäre ja noch schöner“, empört er sich.

Listig wie ich bin, frage ich, ob er sie denn überhaupt gefragt hätte nach einer Garage mit der Nummer 45. „Nein, selbstverständlich nicht“, hat er verdutzt geantwortet. Ja, wenn er sie nicht fragen tue, frage ich schläulich, wie könnte er da sicher sein, ob sie die Garage angemietet hat oder nicht? Denn eines steht doch wohl fest: Ohne Frage keine Antwort von seiner Frau, ohne Antwort kein Wissen über seine Frau, auch nicht über eine Garage mit der Nummer 45.


Eigentlich habe ich Angeber-Gerhard nur erschrecken wollen, weil er mir gegenüber so fies gewesen ist. Nie und nimmer habe ich erwartet, dass er tut, was er dann getan hat. Wutschnaubend springt er in seinen Audi und fährt die 80 Meter zur Garage Nr. 45. Dort springt er aus seinem Wagen und versucht das Garagentor zu öffnen. Daran gerüttelt hat er und geklopft, wie man das in einem Bergwerk tut. Dann hat er gegen das Tor getreten und den Griff mit einer Eisenstange aus der Verankerung gesprengt. Mit einem Knirschen, kreischig blechern und knallend wie ein China-Böller.


Als ich ihm so zuschaue, da wird mir ganz warm ums Herz. Doch das Unglück lauert oft nur Millimeter weit entfernt. Plötzlich bremst neben dem Audi ein pechschwarzer Opel Kadett. Hinter dem Steuer: Ali aus der ersten Etage. Wütend brüllt er: „Wer wagt es, meine Garage zu berühren! Hände weg!“ Schon hat er die Fäuste gehoben, geht auf Angeber-Gerhard los. Ich erschrecke mich und tue das Unglück auf der Stelle begreifen: Der liebe Gott will, dass ich das Weite suche. Naheliegend, dass ich ruck, zuck vom Hof gewesen bin, dann in meinen Keller, wo ich stets in Sicherheit bin, um die Lage gefahrlos zu sondieren.


Anschließend habe ich festgestellt, dass ich noch immer nicht weiß, was es mit der ominösen Garage Nr. 12 meiner Frida auf sich hat. Ich gucke auf meine Armbanduhr. Beide Zeiger stehen auf 15. Also schon nachmittags. Da beschließe ich hinauf in meine Wohnung zu gehen und erst einmal abzuwarten, um mich später, im Dunkeln, noch einmal zur Garage zu schleichen.


Doch kaum ist der Hausflur erreicht und die Kellertür hinter mir geschlossen, da setzt ein zänkisches Getöse und Gebrülle ein. Es waren drei Stimmen, die aufeinander geprallt sind. Ich kenne sie alle und ich habe nicht geahnt, wovor ich mich mehr habe fürchten sollen, vor der Stimme von Angeber-Gerhard, der von Ali oder der rauen Säge von Frida. Sie haben gestritten und wenn

mich mein Gehör nicht täuschen getan, auf der dritten Etage. Dort befindet sich meine Wohnung. Ich habe die Luft angehalten, gelauscht mit der Schärfe eines Horchpostens der Nato. Aha, Ali will, dass Frida ihm die Kosten für sein zerstörtes Garagentor ersetzen tut. Das ist ja unerhört. Das Tor ist nicht von ihr, sondern von Angeber-Gerhard beschädigt worden. Soll der das doch bezahlen.


Schon ertappe ich mich, wie ich einer geheimnisvollen inneren Stimme folgen will, die Treppe hochzulaufen, um Ali in die Schranken zu verweisen und Frida beizustehen. Aber mein Verstand verriät mir sogleich eine bessere Lösung: abwarten. Leise habe ich also die Kellertür geöffnet. Das letzte, was ich habe hören können, ist das Zuknallen der Wohnungstür. Recht so, Frida! Ja, ich bin richtig stolz auf mein Weib gewesen.


Also schleiche ich mich wieder in den Keller hinunter, gehe hinter meiner Spezial-Schutzwand in Deckung, wo ich vor neugierigen Blicken der Nachbarn und  – zugegeben – auch vor denen Fridas sicher bin. Den Rest des Tages habe ich ich in der Anstrengung des Denkens verbracht: Grübeln, Planen, ja für alle Eventualitäten, die mir am Abend bei meinem Besuch am Garagentor Nr. 12 in die Quere kommen könnten.


Hamburg-Dulsberg ist schon abendlich eingedunkelt, als ich mich aus meinem Versteck wage. Ich verlasse das Gebäude durch die Hintertür, marschiere über den Hof, eingehüllt in eine alte Wolldecke, obwohl es gar nicht wirklich kalt ist. Egal, Hauptsache, man erkennt mich nicht. Zum Glück gibt es heutzutage genügend Verrückte, da fällt einer mehr oder weniger gar nicht auf. Ich tue also den Häuserblock umqueren, nähere mich von hinten. Alis Garage Nr. 45 liegt also auf meinem Weg. Als ich um die Ecke blinzele, ist alles ruhig wie in der Schlafanstalt. Also tue ich mich weiter voranschleichen. Dann die erste Überraschung! Alis Garagentor weist keinerlei Beschädigungen mehr auf.


Verdammt. Hat Frida dem Ali die Reparatur seines Garagentors bezahlt? Verdammt, verdammt! Woher sollen wir das Geld nehmen? Und überhaupt, auch wenn ich dem Angeber-Gerhard durch meine Schläue und berechtigte Rache zu der Beschädigung verleitet habe, ist es immer noch er selbst gewesen, der die Beschädigung hervorgerufen hat. Noch und nöcher gucke ich mir Alis Garagentür an, doch aus welcher Blickrichtung auch immer: Sie ist heil und heil, wie gerade erst erschaffen von ihrem Hersteller. Was ist mir anderes übriggeblieben, als die Sachlage zur Kenntnis zu nehmen? Gleichzeitig aber steigt in mir der Zorn auf Frida hoch. Ab morgen muss sie das Geld zurückverlangen, darauf bestehe ich, sonst verlange ich, dass sie Alis Garage insgesamt platt machen tut.


Während ich so die Garagenfront ablaufe, nähere ich mich endlich der ominösen, angeblich von mir gemieteten Garage Nr. 12. Nanu! Ich bin baff überrascht und alarmiert. Ein Licht leuchtet heraus. Aha, dachte ich, gleich zeigt sich der wahre Besitzer der Garage. Ich beschleunige meinen Schritt. Als ich schon ganz nahe bin, springt mir ein Anblick ins Auge, den es eigentlich gar nicht hätte geben dürfen. An der Garage Nr. 12 fehlte das Tor. Obwohl es heute Nachmittag noch dran gewesen ist. Wie es scheint, ist es ausgebaut worden. Vorsichtig blinzele ich von der Seite ins Garageninnere. Was ich dann sehe, tut mir wahrhaftig bis heute weh. Kein Auto steht für mich darin, nicht einmal ein kleines Plastikmodell. Was für eine Enttäuschung! Stattdessen stapeln sich mitten drin jede Menge Paletten mit Dauerkonserven von Aldi. Hauptsächlich der ekelhafte Erbseneintopf. An der Wand stehen Massen von Wasserflaschen. Ne, denke ich, das kann meine Frida nicht eingekauft haben. Das macht keinen Sinn. Viel zu spät habe ich begriffen, was mich in der Garage hat erwarten sollen. Doch da ist es schon zu spät gewesen. Plötzlich steht Frida vor mir. Mit puterrotem Kopf und dem gekrümmten Rücken einer brandgefährlichen Legehenne: Frida, meine Frida! Was Schlimmeres hätte mir nicht passieren können. Ich habe nur noch ganz weit weg wollen.


Eigentlich gibt es nichts Furchterregenderes als Frida in diesem Zustand zu erleben. Aber nur eigentlich. Denn es gibt sehr wohl Schlimmeres, nämlich wenn Frida mich würde sehen tun. Vorsichtig setze ich den ersten Schritt rückwärts. Bloß weg hier, denke ich, ab in den Keller und Ratschlag halten mit meinem schlauen Gehirn. Eine Sekunde später stieß ich rechts von der Garagenöffnung gegen etwas Scharfkantiges. Geradeso eben konnte ich ein verräterisches Schmerz-Aua unterdrücken. Ich drehte mich um. Plötzlich tasten meine Pupillen eine beschädigte, an der Wand lehnende Garagentür ab. Alis Garagentor. Also ausgetauscht, seines gegen unseres – nein, gegen Fridas! – begreife ich. „Verdammt!“, entfährt es mir.


Wahrscheinlich war es dieser Laut, dieses schnöde und dreimal gerechte „Verdammt“, was mich verraten hat. Schon höre ich ein wellpappiges Knacken, dann einen Schlag, so wie er von einem entkräfteter Paketboten verursacht wird, wenn er einen Karton vor der Wohnungstür abwirft. Dann geschieht das Schllimmste im Leben eines Mannes. Wie eine Furie kommt Frida aus der Garage geschossen.

  „Aaahh!!“, brüllt sie, da bist du ja.“

Oh je, ich wusste nicht, was ich sagen sollte.

  Sie stemmte die Ellenbogen in die Hüften. „Was hast du dir bloß dabei gedacht, Angeber-Gerhard und Ali unsere Garagentür zum Tausch anzubieten?“

Da bin ich hellhörig geworden. Warum hat sie von UNSERER Garagentür gesprochen?

  „Ich weiß nichts von einer Garagentür, die uns oder mir gehören könnte“, habe ich geantwortet.“ Dazu reiße ich den Brief des Vermieters aus der Tasche, halte ihn in die Höhe. „Bis ich diesen Brief gelesen habe.“

   Da ist Frida noch wütender geworden. „Du hast mir den Brief verschwiegen, mir, deiner Frau. So ist das also: Heimlichkeiten! Na, warte mal, dir werde ich es zeigen!“ Prompt greift sie hinter sich, zieht eine Flasche Mineralwasser aus einem Karton und prügelt ihn mir volles Rohr in die Hüfte. Genau dahin, wohin es kein Mensch gerne haben tut. Also habe ich ihr die Flasche entwendet und weggeworfen.

   Darauf hat sie gebrüllt: „Ja, bist du denn von allen guten Geistern verlassen, das teure Wasser, unsere Terror-, Kriegs und Cyberattacken-Reserven wegzuwerfen. Ich denke, du tust Fernsehen gucken. Dann müsstest du doch wissen, was die Moderatoren predigen: Wir sollen uns bevorraten. Für alle Fälle. Und das habe ich getan. 120 Dosen Erbseneintopf, 200 Flaschen Wasser, 1 Dose Thunfisch, eine Dose Brot.“

Verdammt, geht es mir da durch den Kopf, sie hat tatsächlich fast nur die widerlichen Erbsen gekauft.

   „Wo ist der Jägertopf von Aldi?“, frage ich empört.

   „Bei Aldi!“, keifte Frida. Dann: „Das fehlt noch, dass du mir mit deinen Texas-Bohnen die Cyberterror-Wochen versaust.“

   Daraufhin bin ich selbst richtig wütend geworden. „So ist das also, nur an dich denken und an deine kleinen, grünen Erbsenpupse, die nachts unter deiner Bettdecke rascheln und genauso schlimm stinken ...“

„Und waaas ist mit deinen Bonenknallern?“

Als ich spüre, dass Frida es in ihrer unnachahmlichen Art ernst meint, ist mir bedauerlicherweise der Kragen geplatzt. Ich habe die weggeworfene Flasche zurückgeholt und sie mit voller Wucht gegen das kaputte Garagentor geknallt. Gleichzeitig habe ich nach den Kosten für eine Instandsetzung gefragt. Dazu nach der Garagenmiete. Dann habe ich ihr blitzschnell vorgerechnet, wie viel ihr eine einzelne der vielen Erbsen aus den Büchsen kosten würde.

   „Du willst mir wohl unsere Vorratshaltung endgültig vermiesen“, hat sie daraufhin gekeift. Schließlich kramt sie eine Büchse Erbsen hervor. Mit eiskalten Augen öffnet sie den Deckelverschluss, hat plötzlich einen Löffel in der Hand und beginnt die kalte Pampe vor meinen Augen runterzuschlucken.“

Das ist zu viel für meine arme Seele gewesen. In diesem Moment habe ich gewusst: Heute soll es nichts mehr werden mit einer Aussprache von Mensch zu Mensch über die Garagenmiete oder auch nur über die Eintopf-Sorte für die Vorratshaltung. Also drehe ich mich weg und verlasse schnurstracks den Ort des Geschehens.


Zu Hause, ohne Frida, habe ich Fernsehen geguckt, leckeren Speck mit unserer Lieblingssoße aus Schmalz, Honig und geschlagene Sahne gegessen, dazu eine leckere Flasche Penny-Bier getrunken. Und mich rechtzeitig ins Bett gelegt. Schließlich tue ich eine gewisse Verantwortung tragen für die Meinungsfreiheit in Deutschland, wenn ich die Zeitungen austrage in Hamburg. Alles dies wie sonst auch, nur heute ohne Frida, denn die hat ja ihre offene Garage und ihre Erbseneintöpfe bewachen müssen.


Na ja, mal ehrlich, ein bisschen hat Frida mir schon gefehlt in dieser Nacht. Nicht nur wegen ihrer unberechenbaren Schärfe, wenn sie verstehen, was ich meine. Auch habe ich für einen Augenblick daran gedacht, ihr eine warme Decke zu bringen, damit sie nicht friert in der kalten Garage. Doch dann habe ich den Wink des Schicksals begriffen: meine Frida soll abkühlen, ihre hitzige, vom schaumigen Erbsengeist umnebelte Wut. Damit sie sich schon mal an die Kündigung der Garage gewöhnen kann und daran, die Paletten mit der Erbsensuppe zurück zu Aldi zu bringen. Eine Lage mit gemischten Eintöpfen reicht völlig, wenn sich darunter auch der berühmte Texastopf befindet. Und delikate Schweinepfötchen darf sie einkochen, so wie sie das früher auch gemacht hat. Dazu 20 Meter Plockwurst, 10 Flachen Schnaps, damit sie ihre Arbeit in guter Erinnerung behält, und für mich einen gesunden Kasten Astra. Das sollte reichen für die Bevorratungsauflagen der Regierung und ihrer Moderatoren. Das beste: Alles passt unter unser Doppelbett. Nicht dass sie noch auf die Idee käme, meinen Keller zu nutzen, und dabei mein Versteck aufstöbern würde, worin ich gerade sitze. Denn wenn Frida zurückgekehrt aus ihrer Garage, dann wird es besser sein, ihr erst einmal nicht begegnen zu tun. Das weiß ich genau, weil ich ganz einfach schlau bin.


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    Fredo und Frida  - Vorratshaltung                                                                                            10 / 2016

Rüdiger Aboreas