Also, liebe Leute, eigentlich täte ich ja auf Frida stolz sein können. Doch leider ist mal wieder alles gaanz, ganz anders gekommen, als ich gedachte habe. Stolz bin ich ja sowieso auf meine Frida. Denn wer hat schon in seinem Leben eine so sehr rasante Frau abbekommen? Stolz bin ich sogar auf sie gewesen, als sie vor einigen Wochen mit ihren Kolleginnen vom Putztrupp der Schnapsfabrik zur Volkshochschule gegangen ist. Der Kurs, den sie seitdem besucht, heißt: „Richtig wählen.“ Dass meine Frida auf ihre besten Tage noch zu den ganz Schlauen unter den Wählern gehören möchte … Wer hätte das gedacht?  Ich würde mich zu so einem Stress ganz gewiss nicht anmelden tun.


Na ja, warum sollte ich auch? Ich bin ja von Natur aus schlau. Ich würde nicht auf die Volkshochschule, sondern auf die Universität gehören, hat der Akim von meiner Schachgruppe am Eichtalpark gesagt, denn ich wüsste ja sowieso besser Bescheid als der Rest der Welt. Und der Akim muss es ja wissen, schließlich ist er durch die halbe Welt gereist, um zu uns nach Hamburg zu kommen. Da kann man schon was erleben tun. Und wie heißt das doch noch? Reisen bildet.


Doch leider ist nicht immer alles so lichtern, wie es scheinen tut. Denn das, was meine wissbegierige Frida und ihre Kolleginnen von der Putzkolonne da gelehrt bekommen, ist ja nun wirklich der größte Mist aller Zeiten. Das beweist ja schon der Titel der Vorlesung. Der lautet zwar nach außen hin „Richtig wählen?“, nach innen hin aber und in der Unterzeile heißt es: „Wählen ist mehr als einfach nur wählen. Eine Anleitung zum  Wählen und gewählt werden.“ Extrem!


Jetzt mal ganz ehrlich, können Sie, verehrter Leser, sich unter einem solchen Satz etwas Anständiges vorstellen? Ich jedenfalls habe den beknackten Spruch nicht verstanden. Für mich hat es ein ganzes Leben lang geheißen: „Wählen ist einfach nur wählen. Was denn sonst noch?“ Und nun tun die von der Volkshochschule so einen Hermann davon machen. Wenn die von der Volkshochschule nicht plemm, plemm sind, wer sonst? Praktisch geht Wählen doch so: Man bindet sich eine Krawatte um, tut in seine Jacke schlüpfen und tut, was ein Wähler-Souverän halt tun muss. Er malt sein Kreuz bei der SPD. So wie das Frida von mir gelernt hat und wie wir es seit 30 Jahren praktizieren tun, genau wie mein Vater, mein Großvater, sogar mein Nazi-Ur-Ur-Opi, jedenfalls so lange er noch nicht die Braunen gewählt hatte wegen dem Kindergeld.


Doch neuerdings behauptet Frida, dass es nicht so sehr darauf ankommen tut zu wählen, sondern dass es genauso wichtig wäre, gewählt zu werden. Und mich fragt sie frech: Warum ich, ihr Mann, der Fredo, mich nie habe wählen lassen? Dann, so glaubt Frida, dann hätte sie mich zum Bürgermeister wählen können, und zwar ganz souverän. Und sie, meine Frida, bräuchte heute nicht in der Schnapsfabrik zu arbeiten und sich das Geld aufstocken lassen müssen bei Hartz 4. Als ich ihr erklärt habe, dass es gar nicht gesichert wäre, dass ich den Abgeordneten-Posten bekommen würde wegen der vielen Konkurrenten, hat sie mich als Schwächling bepöbelt. Ein starker Mann ist verpflichtet, alles zu tun, damit es seiner Fau gut geht. Das tun andere auch, behauptet sie einfach. Und als gutes Beispiel kommt sie mir immer wieder ausgerechnet mit unserem Hamburger Bürgermeister. Dass dessen Frau nicht in der Früh zum Arbeiten in die Schnapsfabrik geht, um mit einem Feudel die Toilette zu wischen, weiß ich selbst. Aber mal ehrlich: Da ist meine Frida eine wahre Weltmeisterin drin. Gekonnt ist eben gekonnt. Bürgermeistersfrau, da lachen ja die Hühner.


Ach, meine Frida! Ich habe sie wirklich so richtig von Herzen geliebt, als sie mir versichert hat, dass ich für sie sogar als Bundeskanzler infrage käme, weil ich ja so ganz besonders schlau wäre. So ein schönes Kompliment. In dieser Nacht hat es übrigens mal wieder richtig gefunkt zwischen uns. Ich habe sie nicht nur befummeln dürfen, sondern auch mal echt beknutschen.


Doch dann, am nächsten Tag schon, ist wieder eine Kehrtwende gekommen. Ich bin mir wie in der Jugend vorgekommen, als ich voller Leichtsinn meinen ersten und letzten LSD-Trip geworfen habe. Der reinste Horror! Als Frida nämlich von ihrem Volkshochschulkurs heimgekommen ist, hat sie plötzlich behauptet, dass ich in Wirklichkeit gar nicht so schlau sein könnte wie alle behaupten, denn sonst wäre ich ja schon längst der Bundeskanzler, mindestens aber ein Minister. Da war ich geplättet. Ja, mal ehrlich, wie würden Sie denn reagieren, wenn ihnen ihre Frau so einen Spruch um die Ohren hauen täte. Also eines steht fest: Wenn ich den erwische, der ihr diesen Quatsch in den Kopf gesetzt hat, der bekommt ein gesundheitliches Problem.


Doch es hat alles viel schlimmer kommen sollen. Ich habe nämlich den Einwand vorgebracht, dass es selbst für einen Bundeskanzler nicht so einfach wäre, Fridas Lohn in der Schnapsfabrik so weit zu erhöhen, dass die Stütze überflüssig wäre. Wissen Sie, was sie da behauptet hat? Wenn ich, der Fredo, ein echter Kanzler wäre, hätte ich ihren Zuschuss einfach nur verbieten müssen.

Fredo kommentiert das Leben und die Welt.

Und schwupp wäre sie keine Zuschuss-Putze mehr. Extrem! Jetzt mal ehrlich, da ist selbst mir als intelligenter Mitbürger nichts Schlaues mehr eingefallen. Als ich mich trotz aufgerichteter Haarspitzen einigermaßen erholt hatte von dieser Attacke, habe ich geantwortet: „Wenn ich den Hartz-Zuschuss verbieten würde, wer würde dann für die Wohnungsmiete aufkommen? Etwa der liebe Gott? Eine Frage, die gesessen hat. Doch dann ist Frida einfach in die Offensive gegangen. „Das musst du doch wissen“, hat sie gebölkt, „schließlich bist du es ja, der so schlau ist.“ Da bin ich endgültig bedient gewesen. Ich, ich, ich! Immer ich! Immer bin ich für alles zuständig.


Egal, welche plausible Antwort ich meiner Frida auch geben tue. Bewirken tu es gar nichts. Ja, wirklich überhaupt nichts. Weil Frida schon seit langem immer weniger auf mich hört. In meiner Verzweiflung habe ich ihr geraten, im Anschluss an den Volkshochschulkurs für richtiges Wählen doch gleich einen Demokratiekurs zu belegen. Ich muss zugeben, dass ich darauf gehofft habe, ein zweiter Kurs würde sie überfordern tun. Doch da habe ich mich kolossal getäuscht. Extrem! Schon eine Woche später ist sie nach Hause gekommen und hat Vollzug gemeldet. Sie habe den Demokratiekurs im Voraus bezahlt, fürs das ganze Jahr. Und das von unseren paar Kröten. Mensch, bin ich vielleicht sauer gewesen. Im Vertrauen: Für das Geld hätte ich guten Herzens getrost auf die Demokratie verzichten können. Immerhin müssen wir ja auch von irgendetwas leben, also Brot und Möhren kaufen und das Sonntagsschnitzel.


Doch der Höhepunkt, verehrte Leser, der ist noch gar nicht in Sicht gewesen. Noch eine Woche später hat sie mir am Abend nach ihrem Kurs bis weit nach Mitternacht die Hölle bereitet. Sie hätte die ganzen vielen Jahre geglaubt, dass unser Land von der CDU, den Grünen und den Linken regiert würde und wir, Frida und ich, mit der Wahl der SPD den Bonzen und Bestochenen mal richtig Feuer geben würden. Und jetzt, im Seminar, hat sie erfahren, dass die SPD ja sogar schon an der Regierung gewesen ist und in Hamburg den Bürgermeisterposten besitzt. Da ist sie vielleicht stinkesauer gewesen. Extrem! Warum wir denn noch so arm sind, hat sie mich gefragt. Wie es denn sein kann, dass unser Bürgermeister an der Macht ist und wir trotzdem jeden Pfennig zweimal umdrehen müssen? Und warum wir sogar bis zum Amt laufen müssen, um einen Zuschuss für unsere Minijobs zu bekommen? Ja, wofür hätten wir den Bürgermeister denn überhaupt gewählt? Vielleicht, so hat sie gemutmaßt, um uns freiwillig selbst arm zu machen? Doch wohl kaum. Und dann hat Frida getobt, aber tue da nicht nach Sonnenschein fragen. In so einer aufgewühlten Verfassung habe ich meine Liebste wirklich noch nie erlebt. Mit dieser Pöbel-Nummer hätte sie einem Abrissunternehmen alle Ehre machen können, inklusiv dem Angebot eines Vollzeitjobs als Dampframme. Ich sag es Ihnen mal ganz ehrlich, wären die Teller und Tassen auf unserem Küchentisch das Eigentum fremder Leute gewesen …


In dieser Nacht habe ich es mal wieder vorgezogen, in meinem Kellerverschlag zu übernachten. Zwar ist Frida noch einmal runtergekommen und hat versucht, die Holzleisten zu unserem Verschlag durchzusägen. Als sie jedoch bemerkt hat, dass sie in ihrem Wuteifer den falschen Verschlag bearbeitet hat, nämlich den der Neumeiers aus der vierten Etage, ist sie rasch wieder hochgeflitzt in die Wohnung. Vorher aber hat sie noch einmal quer durchs Haus gebrüllt: Nie wieder SPD! Ich habe nur gedacht: Hoffentlich hat es keiner gehört und kommt in den Keller, um nach dem Rechten zu schauen oder sich zu rächen. Vor allem nicht die Neumeiers. Wie hätte ich ihnen den Zustand ihres Verschlags erklären sollen? 


Aber im Vertrauen: Über Frida braucht man sich keine wirklichen Sorgen zu machen. Die wird schon wieder. Sie wird am Wahltag ein schönes Kleid anziehen und an meiner Seite zur Wahl gehen und das wählen, was sie immer gewählt hat. Ganz so wie die anständigen Leute in unserem Stadtteil auch. Warum sich Stress machen und die Meinung ändern tun? Revolution ist gestern gewesen. Für solche Anstrengungen bin ich doch viel zu schlau. Sogar viel schlauer als die anderen alle zusammen. Das glauben Sie nicht? Da können sie mal sehen, wie blöd Sie sind.



Frida und Fredo  - Richtig wählen                                                                                           9 / 2013

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