Man kann es auch übertreiben.


Autofahrer, wenn du nach Göttingen kommst …


Neulich bin ich in Göttingen gewesen. Und das kam so: Eine befreundete Autorin befand sich auf einer Reise von Nürnberg nach Hamburg. Im Zuge eines kurzweiligen Telefonats kamen wir überein, uns für zwei bis drei Stunden in Göttingen zu treffen, den dortigen Weihnachts-markt zu beschauen, Kaffee zu trinken und überhaupt die Gelegenheit zu nutzen, einen wenn auch eher touristischen Eindruck von dieser berühmten, verwegenen Studentenstadt zu bekommen, wo so vieles


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anders sein soll als woanders. Einmal nur bin ich bislang dort gewesen, allerdings abends, im Dunklen, an einem eher gesichtslosen Ort, wo ich in einer kirchlichen Einrichtung an einer Lesung teilgenommen haben.


Wissen sollte man, dass Göttingen seit relativ kurzer Zeit Kreishauptstadt der ehemaligen Kreisstadt Osterode ist. Zur ehemaligen Kreisstadt Osterode hat mein Heimatstädtchen Bad Grund im Oberharz gehört. Nun gehört auch die Bergstadt zu Göttingen. Jeder normal denkende Mensch hätte Bad Grund an Goslar abgegeben. Aber was ist in unserer Zeit poli-tisch noch normal? Zur Zeit ist es eben so, wie es ist. Also ein weiterer Grund, sich mit Göt-tingen vertraut zu machen.


Das heutige Vorhaben: Meine Bekannte unter-bricht ihre Zugfahrt, ich fahre mit dem Auto vor. Nach zwei bis drei Stunden fährt sie weiter nach Hamburg, ich mit dem Auto zurück in mei-ne Harzer Heimat. Dann also los!


Pünktlich, mit einer Stunde Vorsprung, komme ich in Göttingen an. Irgendwo auf der Strecke lese ich das Wort „Parkleitsystem“, finde aber keines. Egal, auf zum (Haupt?-)Bahnhof. Dabei fahre ich an einer Art Gewerbegebiet vorbei mit Baumarkt und anderen nützlichen, der abend-ländischen Zivilisation entsprungenen Errun-genschaften individueller, zumeist vergnüg-licher, bisweilen auch mühseliger Lebensge-staltung.


Tatsächlich erreiche ich alsbald den Bahnhof. Auch sehe ich von Weitem bereits ein Park-haus - jedenfalls steht es so außen angeschrie-ben. Die Verkehrsführung „steuert“ mich aber zunächst auf einen relativ kleinen Parkplatz fürs rasche Kommen und Gehen. Ich zahle für eine Stunde, mehr ist nicht gestattet. Dann nutze ich die Zeit, die Einfallswege in das hi-storische Zentrum schon einmal im Voraus zu erkunden.


Was mir als Erstes auffällt: Autos scheinen hier unerwünscht zu sein. Immerhin: An Straßen-rändern wie vor dem Bahnhof finden sich Park-

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Erfahrungsbericht:

... aboreas ...

buchten für maximal eine zu bezahlende Stunde. Nicht weit: der Weihnachtsmarkt. Auf den Zufahrtsstraßen: „Merkelpoller“, zum Teil mit Wachbesatz.


Nicht lange und meine (Park-) Stunde vorm Bahnhof ist bald um. Passt ja, denn der Zug soll gleich einfahren. Also zurückgelaufen.


Glück im Unglück: Der Zug hat Verspätung. Da kann ich ja rasch ins Parkhaus wechseln - denke ich. Jetzt die Überraschung: Bei nähe-rem Hinsehen erweist sich das Parkhaus als Fahrrad-Parkhaus. Also versuche ich es in der Altstadt. Alle Einstundenbuchten sind besetzt. Na ja, wäre für mich ohnehin Quatsch, weil ich mindestens zwei Stunden buchen möchte.


Die Zeit rast, ich tuckere eine gefühlte Ewigkeit durch die Stadt. Am Ende parke ich entnervt weit abseits auf dem Parkplatz einer Lebens-mittelkette. Nach einem halbstündigen Gewalt-marsch bin ich endlich (zu spät) am Bahnhof.


Unser Treffen klappt dennoch. Letztendlich lan-den wir im Zuge einer vergeblichen Suche nach einem „klassischen“ Café mit Bedienung und Kuchenauswahl in einem russisch ausgerich-teten Laden: freundlich, gemütlich, klasse Blinis, leckerer Kuchen, Cappuccino perfekt. Danke, Russland!


Nach der Verabschiedung am Bahnhof musste ich mich wieder auf den halbstündigen Fuß-marsch zum Parkplatz machen. Nur gut, dass ich schon während der Bundeswehrzeit für mein exzellentes Orientierungsvermögen be-kannt gewesen bin.


Mein Fazit: Göttingen ist wohl ganz bewusst ein Ort für Drahtesel. Es sei den Bewohnern ge-gönnt. Warum auch sollte man kein Ort für Drahtesel sein? Meine Mutter hat immer ge-sagt: Des Menschen Wille ist sein Himmelreich. Auch ich bin viel Fahrrad gefahren: in Ham-burg, an der Ostsee. Aber niemals wäre ich so beknackt gewesen, mir das Autofahren zu ver-miesen. Meine Meinung: Zu einem respekta-blen Bahnhof gehört ein respektables Parkhaus - am Bahnhof!  - Inzwischen  ist mir berichtet worden, dasss es irgendwo hinter dem Bahnhof ein Parkhaus gäbe. Wie dem auch sei, mir ist keines begegnet, weder vom Auto aus noch im Vorbeilaufen. Liebes unbekannte Parkhaus, wenn es dich wirklich gibt, dann solltest du vielleicht einmal auf dich aufmerksam machen. Zuletzt: Diese Gegenbeheit ändert nichts an meinen konkreten Erfahrungen. 


Also, Reisender, wenn du mit dem Auto in die Nähe von Göttingen kommst, mach einen gro-ßen Bogen um die Stadt. Dann lieber Aufent-halt in Nordheim, weiter ab in Braunschweig oder Goslar, wo es sogar den schöneren Weihnachtsmarkt gibt. Für mich gilt ab sofort: Das Schönste an Göttingen ist, dass die A 7 schnurstracks daran vorbeiführt.


PS: Mit der Bahn (umständlich, teuer, das Gegenteil von spontan) wäre es sicher etwas anderes. Hat ja eigentlich gut geklappt - für meine Bekannte. 


                                     Rüdiger Aboreas, Januar 2018